Gipfelgespräch mit Gott

Momente mit Gott –  sind Momente des Glücks

Mitten im Gebet kam der Geistesblitz: „Wie Moses auf den Berg steigen.“ Genau das sollte man tun, schoss mir durch den Kopf. Mental natürlich, nicht in der Realität. Ich wusste auch schon genau wie das funktionieren sollte. Mentales Bergsteigen, das hieß, dass ich mich auf eine mentale Reise begeben und alles hinter mir lassen würde. Wenn ich „alles“ sagte, meinte ich „alles“. Also Fernsehen, Radio, Internet, Handy, einfach alles, was sonst zu einem normalen Alltag gehört. Sogar auf meine heißgeliebten Bücher würde ich verzichten. Weitere Kontaktbeschränkungen fielen – Corona sei’s gedankt – nicht ins Gewicht. Es gab ja keine Kontakte. Da ich seit kurzem in Rente bin, musste ich auf niemanden Rücksicht nehmen und konnte sofort meine „Bergtour“ starten.

Ich packte also meinen Rucksack mit Bescheidenheit, Demut und Gottvertrauen. – Glaubte ich zumindest. Mit mir herum schleppte ich in Wahrheit Überheblichkeit, die Unfähigkeit zuzuhören und eine Riesenportion Ungeduld.

Beworben hatte ich mich bei Gott als Beterin, aber meine Unfähigkeit zum Gebet wurde mir schneller bewusst, als mir lieb war. Es war morgens halb zehn Uhr, ich hatte auf meinem selbst gewählten „Berg“ (in Wirklichkeit befand ich mich in meiner Wohnung) gerade erst mit dem Beten angefangen und sehnte schon das Ende herbei, das ich in meinem Übermut und meiner selbstgerechten Vermessenheit auf den nächsten Tag datiert hatte. Dieser Idee lag die Überlegung zugrunde, dass man auf einem realen Berg ja auch nicht nach fünf Minuten wieder unten ankommt. Deshalb hatte ich die „Bergtour“ auf einen vollen Tag festgesetzt.

Ohne allerdings auch nur im Geringsten zu ahnen, was es heißt, sich ganz bewusstem Nichtstun auszusetzen, lediglich mit dem Gebet als Beschäftigung. Es ist eine Herausforderung, von der ich vorher keine Ahnung hatte. Mir wurde bewusst, dass wir es heute als Luxus ansehen, Zeit zu haben. Denn wer hat das noch: Zeit?

Ich fing an, das zu genießen und schaute ziellos aus dem Fenster. Es schüttete. Trotzdem sah ich den einen, oder anderen Nachbarn zu den Mülltonnen eilen, mit eingezogenem Kopf, aber ohne Schirm. Ab und zu rollte ein Auto durch schlammig-grüne Pfützen, die ihren Inhalt Minifontänen gleich, an vorher blitzblankes Chrom spritzten.

Als ich eine Sirene hörte, die ich normalerweise überhört hätte, wurde mir bewusst, dass mir die Sirene einen Grund zum Beten lieferte. Möglicherweise hatte es einen Unfall gegeben. Die nahe Autobahn ließ mich dies ahnen. Dann aber gab es auch Menschen in Not. Ich fing an, gezielt für diese Menschen zu beten.

Die Alarmsirene zeigte mir, dass es wichtig ist, auf die kleinen Signale im Alltag zu achten. Dass ich dadurch die Gelegenheit habe, für Menschen zu beten, an die ich sonst gar keinen Gedanken verschwenden würde.

Natürlich betete ich auch für Menschen, die mir nahestehen.

Trotzdem stellte ich fest, dass es schwer ist, den ganzen Tag mit Gott zu verbringen. Ich bin es nicht gewohnt, so bewusst ins absolute Nichtstun hineinzugleiten. Beten als einzige Tätigkeit empfand ich als Schwerstarbeit. Und das, obwohl ich ein Mensch bin, der sehr gut auf Geräusche wie Radio, oder Fernsehen verzichten kann.

Ich flüchtete mich in Unterbrechungen wie das Durchblättern von Werbesendungen. (Habe ich mir als einzige Lektüre nicht verboten, weil ich es für nicht relevant hielt.) Nach dieser Unterbrechung fiel es mir schwer, wieder ins Gebet zurückzufinden.

Umso länger ich in der Stille war, umso mehr wurden mir meine eigenen Unzulänglichkeiten klar. Und die erschöpfen sich nicht nur in mangelnder Gebetsbereitschaft. Ich bin ein Nichts in Gottes großem Universum. Das zumindest sah ich jetzt in aller Deutlichkeit.

Ich war doch sehr froh, als es zehn Uhr abends wurde und ich mich – ohne irgendwelchen Außenkontakt – sei es mittels Medien oder real – gehabt zu haben – endlich ins Bett legen durfte.

Als Fazit halte ich fest, dass ich mich In den Augenblicken, in den es mir gelungen ist, an Gottes Gegenwart anzudocken, getragen und geführt gefühlt habe. – Das ist eine Erfahrung, die ich jedoch auch bei anderen Gebetsgelegenheiten machen durfte. Dazu muss man sich nicht einen Tag lang Zeit nehmen.

Trotzdem war es ein interessantes Experiment, das wahrscheinlich zu kurz war, um herauszufinden, was das bedingungslose Einlassen auf Gottes Gegenwart bewirken kann. Nicht umsonst, hat sogar Jesus vierzig Tage in der Wüste verbracht. Und Moses – der war bekanntlich auch sehr viel länger auf dem Berg und hat von dort Gottes Gebote mitgebracht.

Aber einen Versuch war es wert.

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